Laura Henrich
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“Meine unbeantworteten E-Mails stapeln sich, ständig klingelt das Telefon und eigentlich müsste ich schon seit fünf Minuten im nächsten Meeting sitzen.” Kommt dir das bekannt vor? Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin berichtet fast die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland von starkem Termin- und Leistungsdruck am Arbeitsplatz. Während die einen durch steigende Anforderungen zu Höchstleistungen motiviert werden, liegen andere nachts wach und grübeln über unerledigte Aufgaben. Doch was bedeutet Leistungsdruck überhaupt und ab wann wird er problematisch?
Die Gründe für einen erhöhten Leistungsdruck sind vielfältig und lassen sich in mehrere Ebenen unterteilen. Da sind zunächst die äußeren Faktoren, die auf Unternehmen und damit auch auf ihre Mitarbeitenden einwirken: Die zunehmend digitalisierte Arbeitswelt erfordert eine beschleunigte Kommunikation und Produktion. Damit einhergehend werden Produktions- und Produktlebenszyklen immer kürzer und Innovationen müssen schneller auf den Markt gebracht werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig steigen die Kundenerwartungen stetig. Dieser externe Leistungsdruck wird zumeist ungefiltert an Mitarbeitende weitergegeben.
Hinzu kommt, dass interne Strukturen den Druck häufig noch verstärken. Wenn Prozesse zu komplex sind, Zuständigkeiten unklar bleiben oder die Abstimmung zwischen Abteilungen nicht funktioniert, kostet das wertvolle Zeit und Energie. Eine zu dünne Personaldecke tut ihr Übriges. So kann die geforderte Qualität in der vorgegebenen Zeit nur schwer erreicht werden, was den psychischen Druck oft erheblich steigern kann.
Doch auch wir selbst tragen zu dem von uns empfundenen Leistungsdruck bei. Viele Beschäftigte haben ein hohes Verantwortungsbewusstsein, das es ihnen schwer macht, Aufgaben abzulehnen. Sie befürchten, dass ihnen dies als mangelnde Leistungsfähigkeit ausgelegt wird. Andere haben den hohen Druck so verinnerlicht, dass sie ihn als normalen Teil ihrer Arbeit akzeptieren. Diese Dynamik wird noch verstärkt durch eine Kultur ständiger Erreichbarkeit und die Problematik, dass häufig viele Aufgaben parallel bearbeitet werden müssen (Multitasking).
Interessanterweise empfinden nicht alle Menschen Leistungsdruck grundsätzlich als negativ, sondern fühlen sich durch ihn sogar angespornt. Nehmen wir zum Beispiel die Ärztin, die in Notfallsituationen zu Höchstleistungen aufläuft. Oder die Projektmanagerin, die trotz enger Zeitvorgaben und komplexer Projektanforderungen kreative Lösungen findet und dafür die Anerkennung ihres Teams erhält. In solchen Situationen erleben die Betroffenen den Leistungsdruck als etwas, das ihre Arbeit abwechslungsreicher macht, sie sind stolz auf die erreichten Ziele und wachsen an der Herausforderung.
Problematisch wird es allerdings, wenn der Druck dauerhaft zu hoch ist. Die Forschung zeigt hier eindeutige Zusammenhänge: Eine chronisch hohe Arbeitsintensität in Verbindung mit geringen Handlungsmöglichkeiten kann die Gesundheit stark beeinträchtigen. Neben Erschöpfungszuständen treten häufig auch psychische und körperliche Erkrankungen auf – von Burnout und Depressionen bis hin zu Herz-Kreislauf-Problemen.
Entscheidend ist, welche Ressourcen uns zur Verfügung stehen. Wer seinen Arbeitstag weitgehend selbst einteilen kann und von Kollegen und Vorgesetzten unterstützt wird, kann auch intensive Arbeitsphasen besser bewältigen. Fehlen diese grundlegenden Ressourcen, kann auch ein zunächst positiv erlebter Antrieb schnell in belastenden Dauerstress umschlagen.
Laut der Erwerbstätigenbefragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) spielen häufig mehrere Faktoren eine Rolle, wenn es um Druck im Job geht. Neben Termin- und Leistungsdruck führen auch die gleichzeitige Erledigung verschiedener Aufgaben, regelmäßige Unterbrechungen sowie das Tempo, in dem die anstehenden Aufgaben erledigt werden müssen, zu einer erhöhten psychischen Belastung.
Um dem permanenten Leistungsdruck entgegenzuwirken, hat es sich in der Praxis bewährt, feste “Fokuszeiten” einzuführen. In diesen, beispielsweise zwei Stunden am Tag, kannst du ungestört an wichtigen Aufgaben arbeiten. Das Telefon ist stumm geschaltet, E-Mails werden nicht gecheckt und Termine automatisch vom Kalender abgelehnt. So hast du die Möglichkeit, den Berg an Aufgaben strukturiert abzuarbeiten.
Auch die Organisation der eigenen Arbeit spielt eine wichtige Rolle. Ein bewährter Ansatz ist es, den Tag in Zeitblöcke einzuteilen: Reserviere dir zum Beispiel den Vormittag für konzentrierte Einzelarbeit, wenn dein Energielevel am höchsten ist. Meetings solltest du dir lieber in den Nachmittag legen. Und plane dir zwischen den Terminen bewusst Puffer ein - für unvorhergesehene Aufgaben oder auch einfach zum Durchatmen.
Auch der bewusste Umgang mit Perfektionismus kann sehr entlastend sein. Nicht jede E-Mail muss literarisch perfekt sein, nicht jede Präsentation preisverdächtig. Entwickle ein Gefühl dafür, welche Qualität wirklich gefragt ist. Teile deine Arbeitsergebnisse beispielsweise in drei Kategorien ein: "Quick & Dirty" für erste Entwürfe und interne Dokumente, "Solide" für die meisten Kundenlieferungen und "Premium" für wirklich erfolgskritische Präsentationen.
Führungskräfte tragen eine besondere Verantwortung. Sie gehen nicht nur mit gutem Beispiel voran, wenn es um den Umgang mit Leistungsdruck und vor allem um die Trennung von Arbeit und Freizeit geht. Sie schaffen auch eine Kultur, in der offen über Belastungen gesprochen werden kann.
Dies kann beispielsweise durch die Einführung einer “Belastungsampel” gelingen: In wöchentlichen Teammeetings zeigt jeder kurz an, wie ausgelastet er ist. So werden Überlastungen frühzeitig sichtbar, das Team kann gegensteuern und die Arbeit neu verteilen. Oft konzentrieren sich Aufgaben bei besonders leistungsstarken Mitarbeiter:innen, was langfristig zu deren Überlastung führt. Eine differenzierte Verteilung nach Fähigkeiten und Interessen ist nachhaltiger. Dabei sollten auch die "stillen" Zusatzaufgaben nicht außer Acht gelassen werden – Protokolle schreiben, neue Kolleginnen und Kollegen einarbeiten oder in Projekten aushelfen, addieren sich oft unbemerkt zum regulären Arbeitspensum.
Darüber hinaus sollten sich Führungskräfte ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und darauf verzichten, abends noch "schnell" Mails zu checken oder am Wochenende "nur kurz" etwas fertigzustellen. Für die Unternehmenskultur und den Druck jedes einzelnen Mitarbeitenden ist es entscheidend, dass auch Führungskräfte wirklich Feierabend machen und im Urlaub offline sind. So erteilen sie indirekt auch den Arbeitnehmenden die “Erlaubnis” in ihrer Freizeit tatsächlich von der Arbeit abzuschalten.
Manchmal reichen diese Strategien jedoch nicht aus. Such dann erst einmal das Gespräch mit deiner/m Vorgesetzten. Oft ist eine gemeinsame Priorisierung hilfreich, um den Kalender und damit den Kopf freier zu bekommen.
Wenn du merkst, dass es dir über Wochen nicht gut geht, zögere nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. In großen Unternehmen ist eine wichtige erste Anlaufstelle der Betriebsarzt. Die arbeitsmedizinische Vorsorge bietet einen geschützten Raum, um über psychische Belastungen und deren Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen zu sprechen. Der Betriebsarzt kann die Situation kompetent einschätzen, zu möglichen Bewältigungsstrategien beraten und - wenn nötig - auch anonymisierte Rückmeldungen über kritische Arbeitsbedingungen an die Unternehmensleitung geben.
Zudem existieren verschiedene digitale Lösungen, die eine erste Orientierung bieten. Die Klenico-App beispielsweise ermöglicht mit ihrem Mental Health Check eine systematische Erfassung von Belastungsfaktoren und bietet zielgerichtete Hilfestellungen zur Verbesserung der Situation. In Kombination mit den betrieblichen Angeboten – von Entspannungstechniken über persönliches Coaching bis hin zu Online-Therapieangeboten – entsteht so ein umfassendes Unterstützungsnetzwerk für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz.
Die Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen, ist oft hoch. Doch die Forschung zeigt: Je früher Betroffene Unterstützung in Anspruch nehmen, desto besser lassen sich ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen vermeiden. Ein offener Umgang mit dem Thema psychische Gesundheit im Job und klare, niedrigschwellige Anlaufstellen können dabei helfen, diese Hemmschwelle zu senken.
Seit fast zehn Jahren treibt Laura Henrich Digital-Health-Innovationen in verschiedenen Führungspositionen voran, unter anderem als Chief Marketing Officer von midge medical, dem Entwickler eines Verfahrens zur vereinfachten Blutentnahme und -testung, und als Business Development Director von welldoo, einem Startup, das Gesundheitsapps für Krankenkassen und Pharmaunternehmen entwickelt. In ihrer aktuellen Rolle als CEO von Klenico verfolgen ihr Team und sie ein großes Ziel: Die Revolution der Psychotherapie. Das Unternehmen hilft Menschen mit psychischen Beschwerden dabei, schnell und einfach die richtige Diagnose zu erhalten und die passende Therapie zu finden.
Über Klenico
Klenico ist aus einem Spinoff der Universität Zürich entstanden. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und Deutschland hat eine klinisch validierte Software zur Diagnose psychischer Erkrankungen entwickelt, um Therapeut*innen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Mittlerweile bietet das Unternehmen auch eine Lösung für Endverbraucher*innen, außerdem wird die Software erfolgreich in Unternehmen und von Krankenversicherungen eingesetzt. Ziel ist in allen Anwendungsfällen das frühzeitige und korrekte Diagnostizieren psychischer Beschwerden oder Erkrankungen.
Eine bewährte Strategie ist die Einführung von festen Fokuszeiten für ungestörtes Arbeiten. Außerdem kann es sinnvoll sein, den Tag in Zeitblöcke einzuteilen und den Vormittag für konzentrierte Einzelarbeit zu nutzen, den Nachmittag vornehmlich für Meetings. Zwischen den Terminen sollten bewusst Puffer eingeplant werden.
Leistungsdruck ist ein emotionaler Zustand und ein Gefühl psychischer Belastung, das durch soziale Erwartungen von außen sowie eigenen Perfektionismus entsteht. Er zeigt sich, wenn Arbeitsmenge, Qualitätsanforderungen und verfügbare Zeit nicht mehr im Einklang stehen.
Die Wirkung von Druck auf die Arbeitsleistung ist individuell sehr unterschiedlich. Manche Menschen laufen unter Druck zu Höchstleistungen auf. Sie empfinden ihre Arbeit als abwechslungsreich und sind stolz auf die erreichten Ziele. Entscheidend sind dabei die verfügbaren Ressourcen wie Selbstbestimmung und kollegiale Unterstützung. Dauerhaft hoher Druck ist jedoch gesundheitsschädlich.
Bei zu hoher Arbeitsbelastung sollte man frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Eine wichtige erste Anlaufstelle ist in größeren Unternehmen der Betriebsarzt, der die Situation einschätzen und zu Bewältigungsstrategien beraten kann. Als akute Unterstützung bietet sich auch der Klenico Mental Health Check an, der eine erste Orientierung gibt und konkrete Handlungsempfehlungen aufzeigt. Viele Betriebe stellen darüber hinaus weitere Hilfsangebote zur Verfügung - vom Betrieblichen Eingliederungsmanagement bis hin zur betriebspsychologischen Betreuung.
Bei chronisch hoher Arbeitsintensität können neben Erschöpfungszuständen auch psychische und körperliche Erkrankungen auftreten. Dazu gehören Burnout und Depressionen sowie Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System. Je früher Betroffene Unterstützung in Anspruch nehmen, desto besser lassen sich ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen vermeiden.
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